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Faucett oder Der Wahnsinn (1997)

Vorspiel auf dem Theater

Drei Schauspieler, einer von links, einer von rechts, einer aus der Mitte durch den Vorhang kommend, in Alltagskleidung und ungeschminkt. Der mittlere hält zwei Streichhölzer in der Hand, eines davon abgebrochen, was man jedoch nicht sieht. Die beiden von links und rechts kommenden ziehen jeder ein Holz. Der Schauspieler, der das kürzere gezogen hat, grimmig ab. Der andere triumphierend.

DER MITTLERE: Na dann viel Glück - Faucett.

Prolog im Himmel

Der Engel der Verzweiflung lauscht, auf einer Wolke sitzend, einem Hörspiel: Goethes 'Faust'. Daraus die Verse 1325-1443 und 1527-1670. Der Engel wirft den Cassettenrecorder über die Wolke.

DER ENGEL: So ein Schwachsinn... Diese schnöde Unterhaltung! er löst sich in Verzweiflung auf.

I

Ein Sommernachmittag, jedoch ohne Sonne, stattdessen unbestimmt trüb und unfreundlich, jedoch ohne Regen, typisches Herbstwetter.

Eine Gefängniszelle mit typischer Einrichtung: keinesfalls modern, eher anachronistisch. Ein Klappbett, rechts, an der Wand. Links, ein einfacher Holztisch, davor ein einfacher Holzstuhl, beides zueinander gehörig.

Im Hintergrund, links, hinter Tisch und dazugehörigem Stuhl, ein Abort, daneben ein Waschbecken, über diesem ein nahezu blinder Spiegel.

Im Hintergrund, mitte, die Zellentür, angerosteter Stahl; in der Tür, oben, ein Guckloch, geschlossen, davor Gitterstäbe; in der Tür, unten, eine Klappe, für Essen usf.

Ein Mann in Sträflingskleidung, der Glaubwürdigkeit halber nicht rot-weiß-gestreift, eher eintönig blau oder grün und zumindest abgewetzt, sitzt, mit angezogenen Knien und vor sich ins Leere, bzw. zur gegenüberliegenden Zellenwand starrend, alt, unrasiert, grauhaarig, auf dem Klappbett: Faucett.

Er trommelt nervös auf seine Unterschenkel.

FAUCETT: Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert ... mit heißem Bemühn ... Da sitz' oder steh? nein sitz' ich nun, ich ... ach Scheiße! ... ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor! Dies Wort in Ehren, mein guter Faust. Pause. Diese olle Schlampe! Verflucht in alle Ewigkeit! Du und die Frucht Deines Leibes ... Hätte ich doch nur studiert, meinetwegen sogar Theologie ... und dann ab ins Ausland ... nach Brüssel oder Madrid ... na, wenigstens weg von hier ... wäre alles nicht passiert. Pause. Zut alors! Diese verfluchte Hure! Den Arsch hätte ich ihr aufreißen sollen ... Dieser Saukerl! Pause. Aber was habe ich auch anderes erwartet? ... erwarten können? Daß sie mir treu bleibt, wo ich doch keinen mehr ... aber das ist doch nicht das Entscheidende ... wenn man sich liebt, meine ich. Das Drumherum, daß man sich gut versteht, miteinander reden kann und füreinander da ist, wenn man einander braucht ... also einer für den anderen da ist, wenn der ihn braucht ... murmelnd bin schon völlig am Verblöden in diesem Scheißloch. Pause. Der Gedanke ist das Gedachte des Denkens. Und weiter? Ruhige Klarheit. Die Seele ist gleichsam alles, was ist: die Seele ist Form der Formen ... Form der Formen ... Form der Formen? Pause. Der Gedanke ist das Gedachte des Denkens. Soweit klar, ruhige Klarheit. Die Seele ... ist Form der Formen. Na meinetwegen. Pause. Diese olle Schlampe! Und dabei war ich es, der sie aus der Schuhfabrik - Saukerl! Mit meinem Gehalt konnte ich ihr natürlich nicht den Himmel auf Erden, aber immerhin eine Zweizimmerwohnung, wenn auch im Westteil, aber immerhin eine Zweizimmerwohnung. Trommelt sich nervös auf die Unterschenkel. Weiß gar nicht, was sie sich erwartet hat, ein Schloß mit Schoßhündchen und ... das also war des Pudels Kern ... mit Schloßgarten, Versailles, Sanssouci, die hängenden Gärten der ... ja, wem nur ... Semiramis ... Babylon ... Koloß von Maroussi, äh Rhodos ... Leuchtturm auf Pharus ... Zeusstatue in Olympia ... ägyptische Pyramiden ... Artemistempel in Ephesus ... Mausoleum in Hali ... Hali ... Halligalli ... Halali lautmalerisch töröö ... ein Luftschloß sub specie aeternitatis, nur keine Zweizimmerwohnung im Westteil der Stadt. Pause. Dieser Saukerl wohnt im Osten. Pause. Ich hatte nichts und doch genug: den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug ... murmeld nichts und doch genug ... laut und mit stolzer Gebärde den Drang nach Höherm und die Lust am Krug. Ein kleiner Bibliothekar in der Stadtbib-liothek, auserlesen zu Höherem, zu Edlerem, ein Weizenkorn in der Spreu, geboren zum Schriftsteller, zum Dostojewski der Moderne, kundig der Weltweisheit, nur sehr vergeßlich, mit einem Sieb im Hirn, vertrauend auf Freud und seine Deutung des Traums ... Traumes ... Traumas ... letztendlich doch gescheitert, gescheitert am eigenen Genius, wenn ich so sagen darf, geblendet durch den Fluch der Liebe, des Fleisches, des sukkulenten Weiberschinkens und der Leidenschaft ... Leidenschaft ist, was Leiden schafft ... und hier ... weder Feder noch Blatt ... die Wände möcht ich vollschreiben, gäbe mir nur einer Schreibzeug... ungeduldig Matthew! schreiend Matthew! Matthew! wirft sich vom Bett und stürzt zur Zellentür, laut dagegen polternd.

MATTHEW: von draußen Halt's Maul! öffnet das Guckloch, satanisch grinsend Was is' los, wird dir die Zelle zu eng?

FAUCETT: Matthew, bring mir meine Schreibsachen, schnell!

MATTHEW: Sind wir hier im Fünf-Sterne-Hotel oder im Knast, Bruder? Was heißt hier DEINE Schreibsachen, he? Hast wohl vergessen, daß hier Kommunismus herrscht ... zwar etwas einseitig, aber was DEIN ist, ist auch MEIN, Henry. Willst UNSERE oder besser MEINE Schreibsachen, gell? jetzt gespielt böswillig Nix kriegst du - Halt's Maul und setz' dich aufs Scheißbecken ! knallt das Guckloch wieder zu.

FAUCETT: Dreckskerl! Schweineaas! Behandelt mich wie einen Mörder! Pause. Hier sitz' er setzt sich wieder aufs Bett ich nun, ich armer Tor ... und bin so arm als wie zuvor. Pause. Hier soll ich finden, was mir fehlt? Ungerechte Strafe. Sonderbares Verhängnis ... Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen, daß überall die Menschen sich gequält – Saukerl. Pause. Daß hie und da ein Glücklicher gewesen ... Schweineaas. Keine Schreibsachen will er mir geben. Margret, womit hab ich das je verdient? Dem Schoße aller Freuden entrissen, verbannt in diese Zelle hier, für nichts und wieder nichts und wieder wieder wieder nichts. Des Abends auf dem Boden kriechend, nach Käfern und Asseln und Kakerlaken forschend, die mir Gesellschaft leisten, mir stille Zuhörer sind. Pause. Nemesis wacht ... die Göttin des Maßes, nicht der Vergeltung. Die Zeit ist maßlos hier, vergeltend, verschweigend das Maß, die Zeit, unwiederbringlich verloren, die Augenblicke, nach vorne strebend, strebend dem Ende zu, dem Tod entgegen. Maß: gemessen in Lebenszeichen, verrottend im Tod, im Halbschlaf, in der Bewußtlosigkeit des Moments ... vanitas - sub specie aeternitatis ... in der Morgendämmerung schließt sich der Kreis, rollt sich von vorne wieder auf, wie ein Knäuel Wolle, verstrickt in die Maschen ... eines ... eines Topflappens, mit dem eine Katze Katz und Maus spielt, ihre Krallen dareinbohrend, die Maus zerfetzend, bis ein Kringel Wolle ... ein blöder Vergleich ... rollt sich also von vorne wieder auf, wie ein Endlosband, ein Endlosfilm, von einer Projektionsmaschine auf weiße Leinwand geworfen, sich dort abzeichnend, das Höhlengleichnis ... Platons? egal ... mein Hirn atrophiert, dahinstiebend der Staub verstaubter Stiebe saugstaubend strauchhaubend hauchsaugend versiegend staubsaugend ... und der Tag als Tag als solcher rollt sich von vorne wieder auf, sich endlos wiederholend ... sisyphilitisch ... sisyphotisch ... na, wie bei Sisyphos ... wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen ... im Abstieg, die Katz die Maus zerfetzend, wiederkäuend die Katz die Maus, vermaustes Exkrement, Endmaus, Antimaus, Scheiße ... so klug als wie zu-vor. Lange Pause. Steht auf, um im Kreis zu gehen. Elende Schlampe! Verfluchtes Weib! Sähest Du mich doch nur sitzend und im Kreise gehend in meiner Zelle hier ... Käfig der Leidenschaften ... das Ichor austrocknend ... Göttersaft: Banane und Kiwi, Blattlausblut und Aasgeruch ... dich liebend vom Anbeginn der Äonen, unaufhörlich durch die Zeiten, im ewig sich öffnen- und schließenden Kreis, kreisenden Puls der Welt ... Margret ... das Halbbitter deines Schoßes ... und du mußtest mich verlassen, nur weil ich keinen mehr hoch ... ungeachtet meines Alters, das du kanntest, ebenfalls vom Anbeginn des Anbeginns ... verlassen verachtet verschmäht sitz' ich hier, so impotent als wie zuvor ... ich armer Tor.

MATTHEW: öffnet das Guckloch Na, Henry, schon Hunger? Ich schieb dir dein Fressen unten durch. Spiegeleier mit Rührei obendrauf und zum Nachtisch ein weichgekochtes Ei, acht Minuten, wie sich's gehört. Getränke heute zum Aussuchen: verquirltes Ei in Milch oder Karottensaft.

FAUCETT: Karottensaft.

MATTHEW: Tut mir leid, ist soeben ausgegangen, aber verquirltes Ei in Milch ist noch da. Na, wie stets, alter Freund?

FAUCETT: Es heißt zwar: Wer die Wahl hat, hat die Qual, aber wer wahllos gequält wird, gibt sich mit allem zufrieden. Verquirltes Ei in Milch demnach.

MATTHEW: Eine exquisite Wahl, Monsieur. Oeuf mixe en lait. öffnet die Klappe, unten, und schiebt das Essen herein Voila. Bon apetit, Monsieur. schließt Klappe und Guckloch.

FAUCETT: nimmt den Teller und setzt sich an den Tisch Vermurkste Eier ... In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti er stochert lustlos im Essen herum Verfluchte Schlampe! Der Altersunterschied, natürlich, dreißig Jahre sind kein Pappenstiel, und wenn sie so scharf auf reifere Männer war, dann hätte sie sich ... ja, ich bin ja schon halb am Verfaulen ... in diesem feuchten Loch geht das noch schneller ... kaum zu glauben, wie alt man sich plötzlich fühlen kann, vor allem, wenn man sein eigener Gesprächspartner ist ... das Sieb im Hirn und kein Stoff zum Füllen der Löcher ... ich möchte Menschen atmen, Bücher in mich einsaugen ... mich dürstet nach Wissen ... Ein Bibliothekar ohne Bibliothek ist wie ein Mann ohne ... ist wie ein Eunuch! Und dieser Schweinehund von Gefängniswärter schreiend Matthew, du alte Sau! wieder normal sprechend bringt mir noch nicht mal was aus der Knastausleihe ... behandelt mich wie einen Mörder, dabei ... wegen versuchten Mordes ... Versucht! Verurteilt wegen mißglückten Mordes, wäre logischer, verurteilt wegen Unfähigkeit, einen versuchten Mord glücklich zu Ende zu führen ... und alles wegen dieser Schlampe Margret ... Du altes Luder! Ein Pakt mit dem Teufel, möcht ich wetten, steckt dahinter schreiend Matthew! erhebt sich vom Tisch, den Stuhl dabei niederreißend und wieder zur Tür, dagegen hämmernd Matthew! Matthew!

II

FAUCETT: Selig, wer sich erinnert. Verdammt, wer meine Erinnerungen teilt. Ich möchte vergessen können, möchte das Wesentliche hinter mir lassen können. Das Wesentliche: meine Erinnerungen, meine Geschichte, die Fülle der Geschehnisse, die mich hierher gebracht. Stattdessen bin ich ein Verges-sender, vergessend das, was mich einst am Leben gehalten. Ich bin ein Vergessener (vergessen darum), weil sich keiner erinnern will, nicht an mich, nicht an den Fluch, der sich meinetwegen über alle gebreitet hat. Ich bin ein Fluch. Ich bin ein Verfluchter, verflucht von meinem eigenen Fluch, verflucht von mir selbst, von dem Fleisch, das das meine ist, von dem Fleisch, in dem ich war, verflucht auch von der Frucht, die aus Leibern entstanden, die Fleisch geworden ... Die Nacktheit gebärt den Schrecken ... Die Geburt als Gebärde des Schreckens ... doch ihr könnt mich nicht schrecken, nicht mit euren offenen Mäulern und Mösen und Ärschen er lacht. Ihr könnt mich vierteilen, aufs Rad spannen, mir die Knochen im Leibe brechen, könnt mich quellen lassen in siedendem Öl ... Ihr könnt mich mit glühenden Zangen zwicken, in ein Faß mit Nägeln stecken, mir den Rücken striegeln, mit Stahlborsten polieren und mir Salz und Wasser in die Wunden schütten ... Ihr könnt meine Geschlechtsteile zerhacken und den Hunden zum Fraß vorwerfen - sie mögen daran krepieren - und vergeßt nicht, mir die Augen auszustechen, denn das könnt ihr; aber eins könnt ihr nicht, eines nicht ... MICH vernichten, mein ICH zerstören. Reißt mir das Hirn aus dem Kopf - wir sehen uns wieder. Ich bin in euch allen, die ihr mich seht. Das ist mein Triumph, den mir keiner streitig machen kann ... Seht mich an: Ich bin ohne Hoffnung, die das Denken lähmt - und doch voller Gewißheit, das Helle, die Klarheit zu besitzen... Zwischen Bewunderung und Verachtung verläuft mein Schicksal, an dessen tiefstem und grausamsten Punkt ich dankbar angelangt bin - als Gezeichneter: das Kainszeichen auf die Stirn gebrannt, wissend um mein nimbiertes Haupt, ohne mich heilig zu fühlen, stigmatisiert in den Falten meines Hirns, vergeistigt, dem Wahnsinn überantwortet, der letzte und höchste Zuflucht ist, die ein Mensch erreichen kann... die ehrenvollste Auszeichnung: eine Befreiung von sich und der Welt, eine Erholung von sich, ein zeitweiliges Selbstvergessen, ein dümmliches Verliebtsein, ein Lieben der Dummheit und ihres Glanzes. Im Memento mori liegt das Carpe diem, im Carpe diem das Amor fati, im Amor fati wiederum das Memento mori - und der Kreis ist geschlossen. Der Kreis: die öffentliche Hölle, der Zauber der Blindheit... die Sehnsucht, das Leben zwischen den Schenkeln zu lecken und die Verwunderung, daß sich dazwischen ein Nichts befindet: geruchlos, geschmacklos, ein nicht zu fassendes Etwas - Spott und Hohn über das Menschengeschlecht. Pause. Meine Situation ist eine absurde. Das alles - es erscheint mir wie die Einlösung einer fremden, mir fernen Verpflichtung: das Gebundensein an einen Pakt, von dem ich nichts weiß, ein Ausgeliefertsein an etwas, das ich nur erahne ... an die Stränge eines Schicksals, dem alles zuwiderläuft, das ausgerastet ist, irgendwo in diesem fatalen Räderwerk ist irgendetwas ausgerastet oder hat sich verhakt oder verklemmt oder alles gleichzeitig... das Schicksal: eine aus den Fugen geratene Maschine, den Wahnsinn produzierend ... Meine Situation ist das Produkt des Wahnsinns! Ich bin ausgesucht und erwählt, etwas einzulösen, das ein anderer verweigert hat. Das Schicksal fordert seinen Tribut. Die Hölle schließt ihre Pforten nie umsonst. Diese Harmonie des Perversen ... der Kreis will geschlossen sein: keine Frage zu welchem Preis, auf wessen Kosten ... das Schicksal: ewig gleich, ewig machtvoll er lacht wie im Wahnsinn.

III

Es könnte Nacht sein, geistige Umnachtung. Faucett, dem Wahnsinn überantwortet, im Halbschlaf, auf dem Bett liegend und wild um sich schlagend. Es könnte Nacht sein.

FAUCETT: DIE WELT GERÄT AUS DEN FUGEN DAS WELTGERÄT AUS DEN FUGEN DAS WELTGERÄT DIE MENSCHMASCHINE AUS DEN FUGEN AUS DEN FUGEN MENSCHMASCHINE MASCHINE MENSCH DIE PRODUKTION VON ARTGENOSSEN AUS DEN FUGEN GERATEN PRODUKTIONSMASCHINE MENSCH FICKMASCHINE DIE ART ERHALTEND DIE MASCHINE FÜTTERND MIT SICH SELBST DIE MASCHINE FÜTTERND SICH SELBST FRESSEND DIE MASCHINE SELBSTAUFLÖSEND MONO-TON RÖCHELND HECHELND IN IHRER DETERMINIERTHEIT IHRER FUNKTIONALITÄT MENSCHMASCHINE FICKE PRODUZIERE FICKE PRODUZIERE DIE FRUCHT DEINES LEIBES MARGRET DIE GEBURT DER MASCHINE DAS GEFICKE AUF DEM OLYMP ES REGNET DAS ICHOR BANANANENSAFT MIT KIWI KEIMZELLENVORGEKEIMT KEIMZELLE ZELLE KEIME KEIME DEN KEIM DEN MENSCHENSAFT AUSTROCKNEND ANTHROPOS MENSCH KEIME SELBSTVERHERRLICHEND WICHSE DIE GEDANKEN AN DIE WAND WICHSE IN DEINER DETERMINIERTHEIT MENSCHMASCHINE AN DIE WAND DER KEIMZELLE DIE DIE MEINE IST BESPRITZE MICH MIT DEM ICHOR AUF DASS ICH MÖGE FRUCHT BRINGEN MIR SELBST UND ALLEN ANDEREN UND VERLAUTE DEN GESANG FAUCETT GEBENEDEIT SEIEN DEINE ERGÜSSE DER SAMEN DEINER DETERMINIERTHEIT SPRENGE DAS GEFÄNGNIS DEINER ZELLE KEIME IMPOTENZ KEIME KEIME KOPFLAST KEIME UND STIRB GEDANKE KOPFLÄSTIGKEIT STIRB STIRB GEDANKENKEIM ERSTICKE BEERDIGEN MUSS ICH DICH SCHNELL UNTER DIE ERDE MIT DIR ZUM KEIMEN DIE TOTEN SPRIESSEN NICHT DAS TOTGEGLAUBTE STIRBT MIT ZERKRATZTEN FINGERKUPPEN BLUTIG UND DEN WAHNSINN INS GESICHT GESCHRIEBEN UND DIE FRUCHT DEINES MEINES LEIBES MARGRET AUS DEN FUGEN DER SAMEN RINNT NUN AUS DEM KOPF DIE IMPOTENZ LACHT AUS DER ZELLE MARGRET SIE LACHT AUS DER KEIMZELLE SPRITZT DAS ICHOR AN DIE WAND AUS DEM KOPF DER PLATZEN WILL UND NICHT KANN SAG DER MUTTERSCHOSS IST KEINE EINBAHNSTRASSE DIESE ZELLE DIE GEBÄRMUTTER DER DETERMINIERTHEIT MIT ZERKRATZTEN FINGERKUPPEN BLUTIG UND SCHLÄFRIG DEN WAHNSINN INS GESICHT GESCHRIEBEN MARGRET DER GEDANKE IST DAS GEDACHTE DES DENKENS DER SAMEN DER DETERMINIERTHEIT DIE KEIMT UND ERSTICKT IM KEIM UND DIE TOTEN MARGRET SIE SPRIESSEN NICHT SIE NEHMEN MIR DIE LUFT ZUM ATMEN SIE NEHMEN MIR DIE LUFT MIT IHREM GESTANK MAGRET WO IST MEIN SOHN WO DIE FRUCHT UNSERER LEIBER DIE GEBENEDEIT IST VON ANBEGINN ZU ANBEGINN IM STERBEN BEGRIFFEN AUF DEM TOTENBETT DAS LICHT WARUM GEHT DAS LICHT NICHT AUS FÜR IMMER ES GEHT NICHT AUS MARGRET WO IST DEIN LICHT DAS MICH ERHELLT IN MEINER DUNKELHEIT DER GESCHMACK DEINES SCHOSSES MARGRET WO IST ER DES NACHTS WO IST ER DEIN LIEBHABER DER FICKT WAS ICH NICHT ZU FICKEN VERMOCHTE DIE ERGÜSSE SIND ZUR KOPFLAST GEWORDEN UND DER KOPF DROHT MIR ZU PLATZEN UND BESPRITZT DIE WÄNDE DIESER ZELLE DIE KEINE EIZELLE IST IN DER NICHTS KEIMT UND MEIN KOPF UND MEIN KOPF UND MEIN KOPF MARGRET DIE MASCHINE GERÄT AUSSER KONROLLE DAS MASCHINENGERÄT MENSCH DAS MENSCHMASCHINEN-GERÄT AUS DEN FUGEN DIE FLIESEN FALLEN VON DER WAND OHNE DIE FUGEN DIE ALLES ZUSAMMENHALTEN DIE FUGEN IM GEHIRN DIE DIE GEDANKEN ZUSAMMENHALTEN DAMIT SIE NICHT AUS DEM KOPF FALLEN AUS DER KEIMZELLE DIE NUR PLATZ FÜR BAKTERIEN HAT DIE ABGETÖTET WERDEN IN DIESER ZELLE DURCH STERILISIERUNG DIE SICH NICHT FORTPFLANZEN WEIL SIE ALLE ALLE IMPOTENT SIND WIE ICH MARGRET SCHAU SIE SIND WIE ICH MARGRET ALLE ALLE UND ICH BIN SIE DAS KONGLOMERAT MEINER IMPOTENZ MARGRET DIE DU KANNTEST MIT DEINER SCHWARZEN MÖSE AUS DER KEIN QUARK QUILLT DEN MAN AUS MILCH MACHT AUS SCHWARZER MILCH SCHWARZE MILCH DER FRÜHE WIR TRINKEN DICH MORGENS WIR TRINKEN DICH MITTAGS WIR TRINKEN DICH ABENDS DEIN BLONDES HAAR MARGRET DEIN GEBLEICHTES HAAR MARGRET UND DAS SCHWARZE HAAR DEINER MÖSE MARGRET IHR PASST NICHT ZUSAMMEN MARGRET DU UND DEINE MÖSE DIE MEHR WILL ALS WAS ICH GEBEN KANN SAG DEIN SCHOSS IST KEINE EINBAHNSTRASSE SAG ES MARGRET BERFREIE MICH AUS MEINER ZELLE BEFREIE MICH VON MEINER ROLLE MARGRET UND MATTHEW BEFREIT MICH VON DIESER ROLLE UND VON DIESER BÜHNE UM GOTTES WILLEN VERSTEHT DENN KEINER DASS HIER NICHT MEHR GESPIELT WIRD DASS DIESE ROLLE EIN VIRUS IST EIN VIRUS FÜR LABILE EINE EPIDEMIE UNTER DEN LABILEN AUSLÖSEND DEN WAHNSINN ÜBERTRAGEND DEN WAHNSINN...

Skandal auf dem Theater

MATTHEW: auf die Bühne stürzend Um Gottes willen, was soll die Scheiße? Bist Du denn völlig übergeschnappt? laut Vorhang! da sich nichts tut noch lauter Macht vielleicht mal jemand den Vorhang zu? Gottverdammte Scheiße! zu Faucett Hey babe, was ist denn los? Alles wieder klar? Komm, locker Dich ein bißchen auf, bist ja völlig daneben. er zieht Faucett hinter die Bühne, währenddessen Ich mach Dir einen Kaffee, keine Sorge, das gibt sich gleich wieder... Kreislauf oder sowas... alles im Griff... geht gleich weiter... nachdem er Faucett von der Bühne geschafft hat, kommt er dynamisch zurückgesprungen, peinlich berührt und nach Worten suchend Tja, meine Damen und Herren ... liebes Publikum ... verehrte Gäste ... Freunde des Theaters ... werte Kritiker ... also ... ein unangenehmer Zwischenfall, der unser Stück unterbricht ... wir könnten vielleicht eine kleine Pause ... oder vielleicht befindet sich ja ein Kabarettist im werten Publikum ... Aha, also nicht... tja, dann werfen wir vielleicht einfach einen Blick in den Himmel ... er vergewissert sich, ob hinter der Bühne soweit alles klar ist, dann überzeugt ankündigend Ladies and Gentlemen, Mesdames et Messieurs, meine Damen und Herren: Live aus dem Himmel: Der Engel der Verzweiflung in einer seiner besten Rollen verkrampft lächelnd ab.

Interim im Himmel

Der Engel der Verzweiflung schwebt mit einem Cassettenrecorder auf die Wolke herab. Er setzt sich und versucht das Gerät anzustellen. Es tut sich nichts. Werkzeuge wie Schraubenzieher, Zange, Lötkolben etc. schweben zu ihm herab. Er macht sich daran, den Recorder zu reparieren - mit mehr und mehr verzweifelterem Gesicht.

DER ENGEL: Habe nun, ach, Verzweiflung, Horror und Schikane, Grausamkeit und Dekadenz, ja mehr noch, Schmerz und Leid und Höllenqualen, Eiter, Blut und er lacht Kondolenz verursacht mit heißem Bemühn ... Wieso funktioniert die Scheiße nicht? Ach, die Welt ist schlecht. Pause, dann ad spectatores. Sehr geehrte Damen und Herren. Ich denke, meine Zeit ist um. Ich war ein Lückenfüller, doch einer mit Folgen. Ich war die Zeit und ebendrum lös ich mich nun vor aller Augen in Wohlgefallen gänzlich auf. Adieu er löst sich in Wohlgefallen auf, der Cassettenrecorder spielt klassische Musik.

Klarstellung auf dem Theater

Darsteller Faucetts in Alltagskleidung.

DARSTELLER FAUCETTS: Ich war Faucett. Ich spielte meine Rolle, spielte die Rolle, die meine Rolle war, die die meine war, die des Faucett, dessen Rolle ich spielte, der ich nicht bin und die nicht meine Rolle ist. Ich habe meine Rolle von mir abgestreift, meine Rolle, die die meine ist, die nicht die meine ist, habe mein Kostüm abgelegt, das Kostüm meiner Rolle, die die des Faucett ist, der nicht ist noch je sein wird, habe sie abgelegt in der Garderobe hinter der Bühne, der Bühne, auf der ich meine Rolle annehme und spiele, die jeweilige Rolle für das jeweilige Stück, das gespielt wird, die Rolle, die hinter der Bühne zerfällt, die zerfällt noch bevor das Kostüm abgelegt ist, die Rolle, die ich nicht bin.

Ich muß die Rolle vergessen können, um sie zu spielen, muß ich sie vergessen können, darf sie nicht annehmen, um sie zu spielen, darf ich sie nicht annehmen. Ich darf nicht ich sein, um zu spielen, ich darf nicht mich spielen, mich selbst spielen auf der Bühne, die eine Bühne ist zum Verlassen. Die Bühne darf kein Verließ sein, muß verlassen werden können, es muß eine Tür da sein, ein Bühnenausgang, hier, hinter dem Vorhang, eine Tür zum Verlassen der Bühne, auf der gespielt wird, auf der nichts echt ist, auf der es Rollen gibt, eine Rollenverteilung, eine Hierarchie in den Rollen und in der Verteilung der Rollen. Hinter der Bühne, wenn die Rollen abgelegt sind, mit den Kostümen, die zu den Rollen gehören, sind die Schauspieler gleichberechtigt. Auf der Bühne sieht das nur anders aus, weil wir eine festgelegte Perspektive haben. Es wird nur ein Raum gezeigt. Was außerhalb dieses Raumes liegt wird nicht gezeigt. Es wird hinter der Bühne gespielt. Es ist egal, ob Sie sehen, was hinter der Bühne gespielt wird. Sie sollen sich nur auf diesen Raum konzentrieren. Dieser Raum nimmt die Bühne ein. Die Bühne ist der Raum, ist beschränkt auf diesen Raum. Alles, was ist, ist in diesem Raum. Sie befinden sich auch in diesem Raum, denn Sie sehen nur, was in diesem Raum passiert. Was außerhalb dieses Raumes abläuft, bleibt Ihnen unbekannt. Es ist unser Geheimnis, das Geheimnis der Darstellenden. Hinter der Bühne wird weitergespielt, wird mitgespielt. Ein anderes Stück mit anderen Rollen, die die Rollen der Darstellenden sind, die die Rollen der Nichtdarstellenden sind, die nicht die Rollen der Darstellenden sind. Das Stück bleibt unser Geheimnis. Das Stück hat keinen Namen. Es wird nicht aufgeführt. Es kennt keinen Anfang und kein Ende. Ob wir Schauspieler darin sind, wissen wir nicht, wir wissen noch nicht einmal den Namen unserer Rolle, wir kennen unseren Standort in der Hierarchie nicht, wir sind ausgeliefert an das Stück, das gespielt wird, das unser Stück ist, das aufgezeichnet wird im Augenblick seiner Entstehung, das Stück, das gerade erst geschrieben wird, das sich immer in seiner Entstehung befindet, das Stück ohne Konzept, das uns alle vereinnahmt. Ich war Faucett, auf die Bühne gestellt, meine Rolle zu spielen. Ich war Faucett, im Augenblick des Geschriebenwerdens. Ich war Faucett, im Moment der Illusion und ich werde sein, selbst im Augenblick der Illusionslosigkeit, Faucett, der mir auf den Leib gebrannt ist, der gespielt werden muß, in diesem Augenblick, und damit festgelegt ist – in alle Ewigkeit. Amen.

DARSTELLER MATTHEWS: auf die Bühne kommend Vergessen wir's! Schicken wir die Leute nach Hause. Es hat keinen Zweck mehr weiterzuspielen. Das Stück ist im Arsch. Für heute jedenfalls.

DARSTELLER FAUCETTS: Wir können hier doch nicht einfach ab-brechen! Denk doch an den Pakt! Das Stück...

DARSTELLER MATTHEWS: Scheiß auf den Pakt! Es gibt keinen Pakt. Es gibt nur die Rollen und uns Darsteller... Laß mich in Zukunft deine Rolle übernehmen, vielleicht bist Du tatsächlich zu labil, um Faucett zu spielen... Du identifizierst Dich ja völlig mit der Rolle...

DARSTELLER FAUCETTS: Gut. Tauschen wir die Rollen! Zerstören wir unsere Identität! Zerstören wir Faust!

DARSTELLER MATTHEWS: Zerstören wir Mephisto!

Beide lachend ab. Kein Vorhang.